viele Menschen Angst haben vor Zahlen und meinen, alles, was mit Geld zu tun habe, sei irgendwie zu kompliziert um es richtig zu verstehen. Dabei benutzt jeder von uns tagtäglich Geld und muss immer wieder Entscheidungen treffen, wie er es ausgeben möchte.
Trotzdem hatten wir, das Vorbereitungsteam des Eine Welt Camps, das Thema unter dem Motto „da fällt der Groschen“ für das Camp vom 24. bis 28. Mai 2017 gewählt – einfach weil es so wichtig und auch interessant ist. Wie aber nun auf die Vorbehalte der meisten Menschen gegenüber dem Thema reagieren? Wie sollten wir einen leichten Zugang zum Thema gestalten, sodass alle mitkommen und Spaß am Thema haben? In vielen Vorbereitungssitzungen überlegten wir uns ein ganzheitliches Konzept, das sich dem Thema auf verschiedenen Ebenen, aus verschiedenen Perspektiven und auf verschiedene Arten nähern sollte. Wir wollten allgemein einsteigen und uns dann mit langsamen Schritten in die Details einarbeiten. Das Konzept konnten wir umsetzen und bei den Teilnehmern ist es auch gut angekommen: „Ich habe schon so viel gelernt! Jetzt habe ich verstanden, warum euch das Thema so wichtig ist!“, meinte eine begeisterte Teilnehmerin.
Planspiel: wer hat, dem wird gegeben
Am ersten Abend sind wir praktisch mit einem selbst entwickelten Planspiel auf der Erfahrungsebene eingestiegen. Die Teilnehmer sollten am eigenen Leibe den Umverteilungsmechanismus im heutigen Geldsystem und die Ressourcenknappheit erfahren. Jeder startete mit einem unterschiedlich hohen Guthaben beziehungsweise Schulden. Das Abendessen und das Frühstück musste mit „Camp-Talern“ bezahlt werden, sodass einige angehalten waren, irgendwie Geld zu verdienen. Eine Arbeitsbörse entstand, in der die guten Jobs schnell vergriffen waren. In Kleingruppen mussten die Teilnehmer außerdem unter Zeitdruck Aufgaben lösen, für die sie nicht alle benötigten Ressourcen hatten, sodass sie mit den anderen Gruppen handeln mussten und ein reger Austausch entstand. Ihr fertiges Produkt mussten sie möglichst gewinnbringend an die Spielleitung verkaufen – was den meisten Gruppen auch mehr oder weniger gut gelungen ist. Wer gut gewirtschaftet hatte oder bereits reich gestartet war, durfte sich beim Mittagessen auf der Bühne ein drei Gänge Menü schmecken lassen. Wer kaum Geld oder gar Schulden hatte, musste auf dem Boden sitzend ein karges Mahl zu sich nehmen oder sogar die Reichen bedienen. Die Ungleichheit war zu sehen und zu spüren, nicht nur die Armen fühlten sich sichtlich unwohl, sondern auch die Reichen, die über der Mehrheit der Teilnehmer thronten und es sich gut gehen lassen durften.
Eröffnungsvortrag: wie funktioniert die Umverteilung im heutigen Geldsystem?
Auf diesen Erfahrungen des Planspiels bauten wir dann theoretisch auf: im Eröffnungsvortrag griff Steffen Henke die Erlebnisse auf und erklärte auf theoretischer Ebene anhand anschaulicher Beispiele die Mechanismen, die wir im Planspiel eingebaut hatten und die natürlich dem heutigen Geldsystem nachempfunden waren. Henke gab einen kurzen Input dazu, wie die Umverteilung in unserem heutigen Geldsystem dank Zins und Zinseszins funktioniert – und vor welchen Herausforderungen das Geldsystem momentan steht.
Workshops: für jeden ist was dabei
Doch mit dieser recht düsteren Zustandsbeschreibung wollten wir die Teilnehmer nicht zurücklassen: in verschiedenen Workshops konnten die Teilnehmer erfahren, welche alternativen Ideen es gibt, Teile oder sogar das gesamte Geldsystem zu reformieren. Es gibt nämlich viele Ideen und es wird viel diskutiert, um ein menschenfreundlicheres Wirtschafts- und Geldsystem zu etablieren – keine Spur von Alternativlosigkeit! So konnten die Teilnehmer unter anderem etwas über das Fließende Geld, das bedingungslose Grundeinkommen, die digitale Währung Bitcoin oder die Gemeinwohlökonomie erfahren oder sich dem Thema in praktischen Workshops wie dem Mitmachen beim Welthandelsspiel nähern oder sich in einem erlebnispädagogischen Workshop auf die Suche nach einem Schatz begeben. Für jeden war etwas dabei.
Markt der Möglichkeiten: wie engagierst du dich?
Die Teilnehmer blieben jedoch nicht bloße „Konsumenten“ der Workshops sondern konnten auf dem „Markt der Möglichkeiten“ eigene Initiativen, Ideen und Organisationen, für die sie sich engagieren, vorstellen. Ein lebendiger Austausch fand statt und man sah auf einen Blick, dass es viele Möglichkeiten für eigenes Engagement gibt, auch für die Zeit nach dem Camp.
Abschlusspodium: wohin fällt der Groschen?
Thematisch wurde das Camp mit einem Diskussionspodium abgeschlossen, in dem die Diskutanten über die Frage, „wohin der Groschen fällt“ die Zukunft des Geldes erörterten. Neben einem Vertreter der Gemeinwohlökonomie und des bedingungslosen Grundeinkommens war auch eine Afrikanistin und ein Mitarbeiter der Deutschen Bank auf dem Podium - eine lebendige Diskussion war also vorprogrammiert.
Gottesdienst: wir schöpfen Kraft für weltliches Engagement
Eingerahmt wurde der thematische Teil mit einem spirituellen Programm bestehend aus Gottesdiensten, freien Gebetsangeboten und gemeinsamem Musizieren. Denn der Glaube ist für viele der Ort, wo Kraft für das weltliche Engagement geschöpft werden kann und für die Teilnehmer sind der Glaube und das Leben der christlichen Werte elementarer Bestandteil des Lebens. So schlossen wir das Camp mit einem bunten, interkulturellen und interreligiösen Gottesdienst ab, der mit einer Sure aus dem Koran eröffnet wurde, in dem Lieder auf verschiedenen Sprachen und aus unterschiedlichen Regionen der Welt gesungen wurden, und mit einem Gebet für eine gerechtere Welt sowie dem Lied „Ich singen für die Mutigen, die ihren Weg suchen“, abgeschlossen wurde. Der Gottesdienst sollte unterstreichen: wir alle gehören zusammen, wir Menschen dieser Welt. Und es lohnt sich, sich für eine gerechtere Welt einzusetzen, in dem nicht die Menschen dem Geld dienen, sondern das Geld wieder dem Menschen dient.
Wir, das Vorbereitungsteam, freuen uns schon auf das nächste Eine Welt Camp 2019, zu dem wieder alle Interessierten eingeladen sind.
Hintergrund
Das Eine Welt Camp ist eine fünftägige Veranstaltung mit etwa 150 TeilnehmerInnen, zum Großteil Freiwillige, die einen einjährigen internationalen Freiwilligendienst in einem anderen Land absolviert haben, sowie junge Erwachsene und Familien, die an entwicklungspolitischen und weltkirchlichen Themen interessiert sind.
Seit 1986 findet das Eine Welt Camp alle zwei bis drei Jahre bei den Missionsbenediktinern auf dem Jakobsberg statt. Ziel des Camps ist es, durch kritische Auseinandersetzung mit Eine-Welt-Themen, kreativem Arbeiten, Gebets- und Freizeit intensive Begegnungen zu ermöglichen und eine Vielfalt an Kulturen und Glaubensformen erlebbar zu machen.
Brigitte Rolfes