Zum Ersten mittels Motivation, andere Zahlsysteme zu nutzen. So schrieb beispielsweise die DAB Bank (später von Consorsbank übernommen) im September 2016 ihre Kunden an und lockte mit bis zu „100 Euro Cashback im Jahr“. Für jede girocard-Zahlung mit PIN und jede VISA Card-Zahlung werden laut diesem Angebot 10 Cent gutgeschrieben. Weitere Mittel werden eingesetzt, um das bargeldlose Zahlen dem Nutzer schmackhaft zu machen.
Zum Zweiten kann an verschiedenen Stellen mit Bargeld einfach nicht mehr bezahlt werden. Absolut inakzeptabel ist es, wenn das einzige gesetzliche Zahlungsmittel (5) noch nicht einmal bei behördlichen Stellen, zum Beispiel zum Begleichen einer Steuerschuld beim Finanzamt eingesetzt werden kann. Auch ist das Einzahlen von Bargeld als Dritter auf ein Konto mit abweichendem Kontoinhaber in Deutschland nur noch eingeschränkt möglich.
Zum Dritten tauchen immer wieder Berichte auf, in denen eine Kriminalisierung der Bargeldnutzer erfolgt. (6) Wer nichts zu verbergen hätte, könne doch bedenkenlos mit Karte bezahlen. Diejenigen, die anonym Zahlungen vornehmen möchten, um ihre Privatsphäre zu schützen, stehen schnell unter dem Generalverdacht, bei den Transaktionen etwas Illegales umsetzen zu wollen.
Zum Vierten wird das Spiel mit der Angst gespielt. Schließlich könne man seine Banknoten verlieren oder sie könnten gestohlen werden. Darüber hinaus bestünde eine gewisse Unsicherheit, ob die erhaltenen Scheine überhaupt echt wären. Des Weiteren gibt es verschiedene gesetzliche Bestimmungen, gegen die man eventuell beim Einsatz bestimmter Mengen an Bargeld verstößt und spätestens jetzt ins Unerlaubte abdriftet. Dann doch lieber der sichere Karteneinsatz, so lautet zumindest die Empfehlung der Förderer bargeldloser Systeme.
Zum Fünften wird an der Kostenschraube gedreht, um die Verwendung von Bargeld unlukrativ zu machen. Bei persönlicher Einzahlung von Bargeld durch Unternehmer auf das eigene Firmenkonto fallen mittlerweile bei einigen Instituten Gebühren in zweistelliger Größenordnung an. Kostengünstigere Bareinzahlungen am Einzahlungsautomaten sind mengenmäßig pro Tag wegen der fehlenden Kontrollmöglichkeit des Einzahlers begrenzt. Mir wurde berichtet, dass bei einigen Geschäftsbanken am Schalter kein Bargeld zwecks Einzahlung auf das eigene Konto mehr angenommen wird.
Selbst Großunternehmen wie Audi schwenken auf den bargeldlosen Kurs ein. So heißt es in einer hauseigenen Vereinbarung zur Zahlungsabwicklung: „Barzahlung (nicht empfohlen). Gesonderte Voranmeldung und präventive Geldwäscheprüfung nach Geldwäschegesetz (GwG) erforderlich.“ Dabei handelte es sich nicht etwa um die Zahlung eines Kaufpreises für ein Fahrzeug dieses Herstellers, sondern um Kosten in Höhe von wenigen hundert Euro. Weshalb „präventive Geldwäscheprüfungen“ bei Zahlungen in dieser Größenordnung angedroht werden, erschließt sich dem Verfasser dieses Textes nicht.
Das Auswerten von Daten liefert viele Erkenntnisse. So fand eine Supermarktkette in den USA (7) heraus, dass eine ihrer Kundinnen schwanger war, bevor es der Vater des später geborenen Kindes wusste. Es wurden Veränderungen im Einkaufsverhalten analysiert. Bei der Zahlung mit Bargeld wäre dies nicht möglich gewesen.
Über unbares Einkaufen, dem Verwenden kostenfreier Kommunikationsdienste (was ist ihr Preis?), Füttern von sozialen Netzwerken mit Daten, dem Nutzen weiterer Apps (Stichwort: Bewegungsprofile), das Besuchen von Internetseiten, usw. werden Berge von Informationen gesammelt. Oft hört man den Einwand: „Ich habe doch nichts zu verbergen.“ Und betrachtet man explizit eine Angabe, also den Kauf eines Joghurts, das Schauen eines Videos im Netz, die Teilnahme an einem Event oder das „gefällt mir“ bei einem Foto, wirkt die dadurch weitergegebene Information als belanglos. Kann man sich die Auswertungsmöglichkeiten über Algorithmen nur andeutungsweise vorstellen, da eine exorbitante Datenmenge zur Verfügung steht, erahnt man, welche Potentiale sich ergeben.
Der Psychologe Michal Kosinski gab unter anderen über einen Artikel (8) einen kleinen Einblick über die Möglichkeiten von Big Data: „[…] mit 300 Likes kann die Maschine [der Computer; Anm. S. H.] das Verhalten einer Person eindeutiger vorhersagen als deren Partner.“ Noch wilder wird es, wenn es nicht um das Vorhersagen von Verhalten, sondern um dessen Einflussnahme geht. Wie reagieren beispielsweise Bevölkerungen, wenn völkerrechtswidrige geostrategische Aktivitäten, wie zum Beispiel aktuell im Jemen, erfolgen? Seit 2017 geschieht im Jemen eine humanitäre Katastrophe. (9) Jede Gruppe erhält eine für die jeweilige Gruppe zugeschnittene Kriegsbegründung über soziale Netzwerke gesendet. Der Aufbau eines Feindbildes, Grundlage eines jeden Krieges, wird individualisiert, damit eine ausreichende Unterstützung für falsche außenpolitische Strategien in der Bevölkerung erzeugt wird. Die Risiken bei innenpolitischer Einflussnahme sind vergleichbar.
Bargeld ist ein Grundbaustein von Selbstbestimmtheit. Das anonyme Bezahlen ist eine unabdingbare Voraussetzung für Freiheit. Das Zurückdrängen von Bargeld bzw. anonymer Bezahlmöglichkeiten ist eine Gefahr für bestehende demokratische Strukturen. Man sollte immer etwas Bargeld zu Hause aufbewahren. Schnell kann die Bank im Krisenfall ihre Türen schließen und der Geldautomat kein Bargeld mehr zur Verfügung stellen. Die Situation in Griechenland in den vergangenen Jahren belegt das. Durch das Verwenden von Bargeld können wir signalisieren, dass uns dessen mögliche Verwendung wichtig ist.
Eine konstruktive Geldumlaufsicherung, wie sie beim Fließenden Geld gedacht ist, ließe sich auch mit Bargeld leicht umsetzen. Ausführlich wird dies im Buch des Autors dieses Textes beschrieben. (10)
Steffen Henke
(1) Häring, Norbert: „Die Abschaffung des Bargeldes und die Folgen. Der Weg in die totale Kontrolle“, Bastei Lübbe AG, Köln, 2018, S. 9
(2) Deutsche Bundesbank: „Zahlungsverhalten in Deutschland 2014“, Dritte Studie über die Verwendung von Bargeld und unbaren Zahlungsinstrumenten, 2015
(3) „Der Begriff Point-of-Sale bezieht sich auf den Ort, an dem Waren oder Dienstleistungen verkauft und bezahlt werden. Überwiegend handelt es sich um Ladenkassen, es können aber auch andere Orte sein, beispielsweise wenn Handwerkerleistungen in Privathaushalten Zug um Zug beglichen werden oder im Online- und Versandhandel bezahlt wird.“ (siehe Fußnote 2, S.11)
(4) Henke, Steffen: „Fließendes Geld für eine gerechtere Welt“, Tectum Verlag, 2017, S. 73
(5) Art. 14 Bundesbankgesetz und Art. 128 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union
(6) vgl. z. B.: FAZ: „Bargeld-Debatte. Deutschland als ‚Hort von Kriminellen‘“, Plickert, Philip, 22.02.2016
(7) SAZ Services AG, St. Gallen: „Big Data – Wie eine Supermarktkette in den USA die Schwangerschaft einer Teenagerin noch vor deren Vater entdeckte.“, Webmaster, 08.05.2014 (abgerufen am 25.09.2018)
(8) Das Magazin (Herausgeberin: Tamedia AG Zürich): Michal Kosinski: „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“, von Hannes Grassegger und Mikael Krogerus, 03.12.2016 (abgerufen am 27.01.2017)
(9) vgl. Lüders, Michael: „Armageddon im Orient. Wie die Saudi-Connection den Iran ins Visier nimmt“, Verlag C.H.Beck oHG, München, 2018
(10) Henke, Steffen: „Fließendes Geld für eine gerechtere Welt“, Tectum Verlag, 2017, Kapitel IV, 6.: „Technische Umsetzungsvarianten des Fließenden Geldes“, S. 407